Walter und Xaver – und ihr Weg

Wir haben keine Bilder von Walter und Xaver. Diese Namen haben sie seit gestern, ich habe beschlossen sie ab jetzt so zu nennen. Das beide männliche Vornamen sind drückt meine Hoffnung aus, dass es sich um Kater handelt. Walter ist schwarz mit einem kleinen weißen Fleck auf der Brust – das konnte ich vorgestern sehen. Xaver ist kleiner als Walter, mager und getigert. Im Laufe des Jahres habe ich die beiden nie miteinander gesehen, trotzdem scheinen sie sich ein Revier zu teilen. Ihre Lebenswelt besteht aus den langestreckten landwirtschaftlichen Felder und dem angrenzende Forst je 3 Kilometer weg von zwei Dörfern, weit weg von den Menschen. Walter habe ich seit Juli nicht mehr gesehen. Ich dachte er sei mittlerweile bestimmt nicht mehr am Leben. Xaver habe ich das erste Mal im Juni gesehen. Seitdem alle paar Monate einmal, weit weg.

Gestern habe ich ihnen diese Namen gegeben, denn seitdem formt eine Reihe von Gegebenheiten auf einmal ein Bild. Und der Weg ihrer Geschichte zeichnet sich voller Mitgefühl und Trauer ab.

Sommer 2014: Kilometer außerhalb der Dörfer werden Katzenbabys überfahren. Wo kommen sie her? Wurden sie aus einem Auto geworfen? Wie konnten sie so weit laufen? Das waren damals unsere Fragen, die ohne Antwort blieben.

Sommer 2015: in einem Graben mit Überführung und Abwasserrohr neben der Landstraße zwischen den Dörfern  wurden mehrere schwarze Katzenkinder gesichtet. Drei konnten durch Fallen eingefangen werden, zwei wurden überfahren, eins wurde sporadisch von uns gesehen. Doch nie ging es in die Falle.

Frühling 2016: Es wird durch Zufall bekannt, dass eine Familie zwei Streuner hinter ihrem Haus ab und an Küchenabfälle zum Essen geben. Das Paar (eine schwarz, der andere getigert) bekommt seit Jahren im Holzpolter zwei Mal pro Jahr Junge. Diese Kitten werden von den Anwohnern im Alter von einigen Wochen in Kisten gepackt und auf weiter Feld und Flur oder im Wald ausgesetzt. Denn wohin mit all den Katzenkindern? Wir sind entsetzt. Wo leben wir? Wieso hat niemand von all dem etwas mitbekommen? Keiner hat um Hilfe gefragt.

Das Katzenpaar wir nach langer Überzeugungsarbeit durch Menschen für Tiere e.V. kastriert. Es wird keine Jungen mehr geben, die einfach irgendwo sich selbst überlassen werden, überfahren oder verhungern. Zumindest nicht dort, bei diesen Menschen.

Juli 2016: Ich sehe eine schwarze Katze in der Nähe eines Weizenfeldes und versuche sie anzufüttern. Ich muss unweigerlich an das kleine schwarze Junge denken, dass seit 2015 nicht in die Falle geht. Er rennt weg, er hat zu viel Angst. Ich gehe einige Tage an die gleiche Stelle zurück. Ich sehe ihn nicht, aber lasse Futter da. Er kommt nicht zum Essen.

September 2016: Ich sehe eine schwarze Katze am Rande eines Maisfeldes. Er lauert Mäusen auf. Ich nähere mich ihm. Er hat Angst und geht weg.

19.12.2016: Ich sehe ihn wieder. Es ist Walter und er lebt. Nur wie? Bei all diesen Bedingungen? Er sitzt auf einem Feld und versucht eine Maus zu fangen… . Er sieht mich und läuft über die Straße in Richtung Lichtung. Ich gehe ihm langsam nach und stelle an den Rand der Lichtung Futter.

20.12.2016: Ich stelle Futter an die gleiche Stelle.

21.12.2016: Ich stelle wieder Futter an die gleiche Stelle.

Das werde ich jetzt jeden Tag in der Hoffnung machen, dass er und Xaver dort vorbei kommen. Wenn sie das tun, werden wir erneut Fallen stellen und versuchen sie einzufangen, zu kastrieren, zu entwurmen, zu entflohen und zu registrieren. Und ihnen dauerhaft eine Futterstelle einrichten.

Ich denke, das ist der Weg, der von Walter und Xaver – sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. Ich hoffe, sie kommen an der Lichtung vorbei… .